Wald der Zukunft

Dieser Beitrag trägt zu folgenden Nachhaltigkeitszielen bei:

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Interview mit

Prof. Dr. Rupert Seidl

Lieber Rupert, du beschäftigst dich schon sehr langem mit den Auswirkungen des
Klimawandels auf unsere Wälder. Darum freut es mich sehr, dass ich dir dazu
heute ein paar Fragen stellen darf.

Viele Menschen, vor allem bei uns, glauben den Klimawandel noch nicht wirklich zu spüren, aber vor allem in den Wäldern ist er doch schon sehr präsent, oder?

In der Tat sind wir schon mitten drin im Klimawandel – der durch den Menschen verursachte globale Temperaturanstieg beträgt schon jetzt mehr als 1°C. Ein Grad klingt vielleicht nicht viel, ist aber z.B. für Bäume, die ja Jahrzehnte bis Jahrhunderte am selben Fleck stehen, schon eine sehr gravierende Veränderung. Darüber hinaus erwärmt sich der Alpenraum aktuell zirka doppelt so stark als der globale Durchschnitt. Wir sind also vom Klimawandel besonders betroffen.

Wie würde vermutlich der Wald bei uns aussehen, wenn er nicht vom Menschen in den letzten Jahrhunderten massiv beeinflusst worden wäre?

Wir leben in der Tat in einer Kulturlandschaft, welche seit mehreren Tausend Jahren vom Menschen geprägt ist. Wald wurde bei uns bis zum fossilen Zeitalter stark genutzt und zum Teil sogar übernutzt, da er wichtiges Baumaterial und wichtige Energiequelle war. Als Folge dieser Übernutzung gab es im Mitteleuropa des 18. und 19. Jahrhunderts vielerorts eine Holzknappheit. Dieser wurde dadurch begegnet, indem großflächig rasch wüchsige Baumarten aufgeforstet wurden. Unsere Wälder haben daher heute eine geringere Vielfalt an Baumarten als natürliche Wälder und sie sind – aufgrund der relativ großflächigen Nutzung – strukturell ärmer als Naturwälder.

Was wäre mit dem Wald in 100 Jahren, wenn wir den Temperaturanstieg nicht aufhalten können? Und welche Auswirkungen hat das auf die Biodiversität in den Wäldern (Tiere, etc.)?

Die schlechte Nachricht zuerst: Wenn der Klimawandel unvermindert weitergeht könnten wir in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts Kipppunkte erreichen, ab denen sich der Wald drastisch ändert. Generell erwarten wir jüngere Wälder aufgrund von vermehrten Störungen durch z.B. Wind und Borkenkäfer, lichtere Wälder und Wälder die aus wärmeliebenderen Arten bestehen. Auf die Biodiversität könnte sich das unterschiedlich Auswirken, manche Arten könnten profitieren, andere könnten verlieren. Die gute Nachricht ist jedoch: Unser Wald hat eine hohe Resilienz. D.h. wenn wir den Klimawandel auf unter 1.5° C eindämmen, könnten die Veränderungen im Wald deutlich moderater ausfallen. Alles was wir heute zur Reduktion des Klimawandels tun hilft also auch dem Wald der Zukunft!

Die Devise in unserem Projekt ist es ja auch immer „vom Wissen ins Tun zu kommen“, darum gehen auch meine nächsten Fragen mehr in die praktische Richtung. Was muss in den Wäldern passieren, damit diese klimafit werden? Wie kann klimafitte Waldbewirtschaftung bei der CO2 Reduktion helfen?

Das ist eine sehr wichtige Frage, auf die es jedoch keine pauschale Antwort gibt, da jeder Wald anders ist. Ganz generell kann man sagen, dass diversere Wälder robuster gegenüber Klimawandel sind. Diversität meint hier sowohl die Baumartenmischung als auch die Waldstruktur. Ein klimafitter Wald kann auch weiter zur Reduktion des Klimawandels beitragen, indem er viel CO2 aus der Atmosphäre aufnimmt. Dieses CO2 wird im Holz langfristig gespeichert, z.B. in alten Bäumen im Wald, aber auch in langlebigen Holzprodukten wie Holzhäusern oder Möbel.

Und zum Abschluss noch ein persönliches Zukunftsbild von dir: Wie würde unser lokales Ökosystem aussehen, wenn wir die Klimaziele erreichen und damit unsere Zukunft retten?

Meine Vision des Waldes der Zukunft: Er ist vielfältig und bunt, erfüllt die Breite der gesellschaftlichen Anforderungen von der Holzproduktion bis zum Schutz vor Naturgefahren und der Kohlenstoffspeicherung und bietet einer Vielzahl von Arten Lebensraum.

Prof. Dr. Rupert Seidl

Rupert Seidl wuchs im Bezirk Vöcklabruck auf, absolvierte die Försterschule in Bruck/ Mur und studierte danach Forstwirtschaft an der Universität für Bodenkultur in Wien, an welcher er 2008 promovierte. Nach mehrjähriger Forschertätigkeit in den USA und Schweden kehrte er nach Wien zurück, wo er ab 2013 am Institut für Waldbau als Professor tätig war. Im Jahr 2019 wechselte er nach Bayern, wo er an der Technischen Universität München Professor für Ökosystemdynamik ist. Darüber hinaus ist Seidl seit 2019 Leiter der Forschung im Nationalpark Berchtesgaden.

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